Diesmal wurden die Straßen zu breiten strömenden Flüssen – ich hatte das Gefühl, die Insel ist am Ertrinken. Gut aber, dass eine Insel nicht ertrinken kann, denn sie ist ja schon von Wasser umgeben. Und so suchte sich der brasilianische Monsunregen seinen Weg über Straßen, Sandwege und Grundstücke in den nahe liegenden Ozean.
Die mehrstündigen gewaltigen Blitze und Donnergeräusche taten ihr Übriges zu den Naturgewalten. Da wundert es nicht, dass es nach wochenlangem Regen zu dieser Jahreszeit, insbesondere in den Favelas (denn die sind meistens direkt am Berg gebaut), zu drastischen Hangrutschungen kommt.
Der Regen hat aber auf jeden Fall auch sein Gutes: die Tage davor waren sehr heiß und eine Abkühlung war überfällig. So konnte ich auch meinen Sonnenbrand „auskurieren“. Denn wenn die Sonne scheint, kann ich ihr nur schwer widerstehen, selbst wenn es 40 °C sind – in mir steckt eben doch ein Südländer und kein Nordländer. Deswegen hat es mich bisher auch nicht nördlicher als an die Ostsee verschlagen, und ich habe Orte wie Kroatien, Portugal oder Griechenland bevorzugt.
Zu den Dünen bei Lagoa da Conceição
Aufgrund der regnerischen „Abkühlung“ (es waren immer noch an die 26 °C), habe ich auch meine erste kleinere Fahrradtour auf der Insel um Florianópolis unternommen. Da mir jemand den Tipp gegeben hat, die Dünen bei Lagoa da Conceição zu besuchen, in denen sich nach dem vielen Regen kleine Seen gebildet haben, hatte ich ein schönes und nicht allzu weites Ausflugsziel. Es tat gut, dem Karnevalstrubel für kurze Zeit zu entfliehen und so machte ich mich mit meinem neuen Rad auf zu den Dünen, die direkt am Meer liegen.
Schon der Eintritt in das Gebiet hatte etwas Magisches: durch einen Tunnel aus Sträuchern und Bäumen, die umschlungen von Lianen und mit Orchideen besetzt sind, betrat ich auf einem Sandweg das Gebiet. Begleitet von den vielfältigen Geräuschen der Singvögel, wie socozinho, mergulhão-caçador oder jaçanã, bei denen die portugiesischen Namen schon wie ein wundervolles Lied klingen.
Karneval in Florianopolis
Und dann war da natürlich der Karneval, der im Land DAS Ereignis des Jahres ist. Schon die Tage davor habe ich hier im Ort jeden Abend Sambagruppen spielen gehört.
Am Freitag (den 13.02.) begann dann schließlich die eigentliche Parade in São Paulo, am Tag darauf war sie dann in Floripa, und Sonntag und Montag in Rio de Janeiro. Es gab jeweils einen großen Umzug mit den dort ansässigen Sambaschulen und mindestens 3/4 der Brasilianer schaute (per TV) zu. Danach wurde von einer Jury die beste Gruppe benannt. Floripa lag in der Wertung nur knapp hinter Rio.
Den ganzen Samstag über war die Innenstadt eine einzige Party, mit ausgefallenen Kostümen, Sambagruppen und großen Wagen von denen Musik schallte. Am Abend fand dann die Hauptparade statt und Sonntag gab es noch einen kleinen Umzug in Campeche.
Die darauf folgende Woche war dann mein erster Geburtstag außerhalb Leipzigs und ich hatte das erste Mal über 30 °C, war im Ozean baden, konnte grillen und es gab erfrischenden Caipi – das ist für mich nur auf der Südhalbkugel möglich!
Parque Estadual da Serra do Tabuleiro
Den Sonntag danach habe ich eine Halbtagesradtour unternommen. Leicht bekleidet und mit einer Flasche Wasser ausgestattet, ging es auf Erkundung in den südlichen Teil der Insel. Als Ziel hatte ich mir einen Berg im Parque Estadual da Serra do Tabuleiro vorgenommen. Laut Google Maps war die gesamte Strecke in etwa 35 km lang – an sich keine große Herausforderung für mich als täglichen Fahrradfahrer.
Doch, und das hatte ich mir im Vornherein schon gedacht, ist die Insel nicht flach wie die Leipziger Tieflandsbucht; ersetzt das Mountainbike, das ich hier habe, nicht meine „Blaue Rakete“ von zu Hause; und dann kann man die Straßen meist nicht als solche bezeichnen, selbst wenn sie in der Karte als „gelbe Hauptstraße“ gekennzeichnet sind.
Diese Erfahrung durfte ich dann auch machen, als ich den Naturpark passierte. Die „Hauptstraße“ wechselte zuerst von Asphalt in kleine Steinplatten, bis sie schließlich nur noch als lehmig sandige, mit Steinen versetzte „Straße“ weiter lief.
In Deutschland würde sich jemand wahrscheinlich nicht mal mit seinem SUV trauen, solch eine Piste entlang zu fahren. Hier allerdings hat das Auto mehr die Funktion eines Pferdes, und da wird ohne Zögern mit dem VW Golf oder Motorrad aufgedreht, um die steilen Hänge raufzukommen. Ich fühlte mich mit meinem Fahrrad wie aus der Steinzeit und musste es mehrmals schieben, um die Neigung und Gesteinsbrocken zu überwinden.
Doch wurde ich mehr als belohnt, denn die meiste Strecke war gesäumt vom Atlantischen Regenwald, der sich links und rechts ausbreitete, und wenn ich mal längere Zeit ganz alleine an einem Abschnitt verweilte, schallten rundherum die unterschiedlichsten Tiergeräusche aus dem satten Grün heraus – solch eine Geräuschkulisse habe ich bisher noch nicht in freier Natur erlebt.
Neben Radtouren (die man hier teilweise kilometerweit auf dem Strand entlang machen kann), Spaziergängen und Sonne tanken, war ich auch schon mehrmals nach Sonnenuntergang baden: da ist der Strand menschenleer, und die Atmosphäre aus Wellengeräuschen und klarem Sternenhimmel ist einfach traumhaft und unendlich beruhigend. Wenn ich jemals aus dem schönen Leipzig weggehe, muss es ein Ort sein, der mir so etwas bieten kann – dagegen kommt dann auch kein Cossi und Fockeberg mehr an.
Wandern lässt es sich hier ebenfalls wunderbar. So hat man viele Möglichkeiten die mit Regenwald bedeckten Bergketten auf der Insel zu erkunden. Man betritt am Fuße eines Berges den Dschungel und befindet sich nach wenigen Metern in einer anderen Welt, aus dichter subtropischer Vegetation, Tiergeräuschen und 10 cm großen bunten Schmetterlingen – das Leben im brasilianischen Urwald muss paradiesisch und befreiend sein.
Party und Clubs in Florianopolis
Neben der Erkundung der Natur war das letzte Wochenende musikreich: so habe ich eine Doku über Cássia Eller gesehen und war endlich mal im Casa de Noca – einer der besten Clubs mit brasilianischer Musik auf der Insel, und Morena Tropicana wurde auch gespielt! Das DeRaiz werde ich bei Gelegenheit auch noch besichtigen.
Das Tolle ist, dass beide Clubs unweit vom Meer liegen und wenn man wie ich mit dem Rad zurück nach Campeche muss, kann man bis dorthin (etwa 10 km) den Strand entlang fahren, anstatt die Verbindungsstraße zu nutzen. Das dauert zwar etwas länger und man kann nur schwer vermeiden, nass zu werden, doch solch eine Strecke nach einem Clubbesuch nachts entlang zu fahren ist einmalig.
Das wäre ungefähr so, als würden der Clara- und Johanna-Park, der Palmengarten und die Nonne, eine Meeresbucht bilden und rings herum hat man feinsten weißen Sand und könnte bei nächtlichen 25 °C nach seinem Besuch in Plagwitz oder Lindenau, die Brandungswellen mit dem Fahrrad kreuzen – oh nein, ich glaube dann wäre Leipzig das „neue und bessere Rio“!
Ansonsten fahre ich ich diese Woche auf ein Festival in den nahe liegenden Bergen, und danach tauche ich in das „NYC Brasiliens“ – die Megastadt São Paulo – ein! Eventuell mache ich von dort aus noch einen Abstecher nach Brasília, da die Inlandsflüge momentan recht günstig sind (die Hauptsaison ist vorbei), und ich auch mal in der Hauptstadt gewesen sein sollte. Allerdings ergeben sich die meisten Dinge spontan, doch ist es nicht verkehrt, einen groben Fahrplan für dieses riesige Land zu haben.
Zum Abschluss möchte ich noch einen Spaziergang auf den eigens benannten Morro do Focke erwähnen. Dort waren auf dem Weg nach oben in kurzen Abständen, sieben wunderschöne bedeutende Worte in den Lehmboden geritzt: Paz (Friede), Armor (Liebe), Harmonia (Harmonie), Saúde (Gesundheit), Força (Kraft/Stärke), Vitalidade (Lebenskraft) und Fé (Glaube/Vertrauen) – die liebenswerten poetischen Brasilianer …